Ein Dokument des Grauens?
Ist „Chatkontrolle“ ein Euphemismus für ein System von Maßnahmen zur Überwachung von Kommunikation und Daten der Bürger und Firmen in der EU, das Ganze unter dem „Deckmantel“ der Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern?
Nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und dem Gesetz über digitale Dienste dürfen die Mitgliedstaaten Anbietern von Vermittlungsdiensten keine allgemeinen Verpflichtungen zur Überwachung von Informationen oder zur aktiven Ermittlung von Tatsachen oder Umständen, die auf illegale Tätigkeiten hindeuten, auferlegen.
Es geht um die
„Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“
so der sperrige und zugleich verheißungsvolle Titel.
Ist es ein Dokument des Grauens? Wir fassen den Inhalt zusammen.
Welche Anbieter sind von der Verordnung betroffen?
Betroffen sind die folgenden in Artikel 2 definierten Dienste.
- Hostingdienste
Der Dienst stellt Speicherplatz oder Infrastruktur bereit, um Daten Dritter (Nutzer) zu speichern, verwalten oder abrufbar zu machen
Beispiele
Cloud-Speicher (z. B. Google Drive, Dropbox), Soziale Netzwerke (z. B. X, Facebook, Instagram), Video- oder Bildplattformen (z. B. YouTube), Messenger-Dienste (soweit sie Nachrichten speichern, z. B. Discord, Telegram-Cloud), Webhosting-Anbieter (z. B. Strato, IONOS) - Interpersonelle Kommunikationsdienste
Peer-to-Peer-Kommunikation Nachrichten, Anrufe oder Dateien werden von einer Person an eine andere gesendet.
Beispiele
Messenger-Dienste: WhatsApp, Signal, Telegram, Threema, E-Mail-Dienste (privat): Gmail, ProtonMail (sofern zwischen Personen), Voice-/Video-Dienste: Facetime, Zoom-Private Calls, In-Game-Chats (private Direktnachrichten, nicht öffentliche Chatrooms) - Internetzugangsdienste
Ein Internetzugangsdienst ist ein Dienst, der den Zugang zum Internet bereitstellt.
Beispiele
Breitband-Internetanschlüsse (DSL, Glasfaser)
Mobilfunk-Datendienste (4G/5G Internetzugang), WLAN-Anbieter (öffentliche oder private Hotspots), Internet-Cafés oder Anbieter temporärer Internetzugänge - Einschlägige Dienste der Informationsgesellschaft als Sammelbegriff für
Hostingdienste, interpersonelle Kommunikationsdienste, Stores für Software-Anwendungen, Internetzugangsdienste
Laut Erwägungsgrund 32 gilt die Verordnung nicht für Anbieter von Hostingdiensten, die ihre Dienstleistungen nicht in der Union anbieten.
Allein aus dieser Auflistung könnte man schon den Verdacht hegen, dass es um mehr als nur Chatkontrolle geht.
Was fordert die Verordnung von den Anbietern?
Gemäß der Verordnung
- sollen Anbieter einschlägiger Dienste der Informationsgesellschaft das Risiko eines Missbrauchs ihrer Dienste für den sexuellen Kindesmissbrauch im Internet analysieren, bewerten und minimieren. (Artikel 1,3,4)
- sollen Anbieter einschlägiger Dienste der Informationsgesellschaft sexuellen Kindesmissbrauch im Internet aufdecken und melden. (Artikel 1)
Die Anbieter sollten, um fehlerhafte Meldungen an das EU-Zentrum zu vermeiden, für eine menschliche Aufsicht und gegebenenfalls menschliches Eingreifen sorgen. (Erwägungsgrund 28)
Die Anbieter sollten für eine spezifische und detaillierte menschliche Aufsicht und menschliche Überprüfung von Gesprächen sorgen, die den Technologien zufolge eine potenzielle Kontaktaufnahme zu Kindern beinhalten. (Erwägungsgrund 28) - sollen Hostingdienste die Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs in ihren Diensten entfernen oder den Zugang dazu zu sperren. (Artikel 1)
- sollen Internetzugangsdienste, den Zugang zu Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs sperren.
Dies ist in Bezug auf Hostingdienste, die ihre Dienstleistungen nicht in der Union anbieten, notwendig. Die Sperrung auf Ebene von URLs soll auf Basis einer Sperranordnung gemäß Artikel 16 erfolgen. - sollen Stores für Software-Anwendungen angemessene Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass minderjährige Nutzer Zugang zu den Software-Anwendungen erhalten, bei denen sie ein erhebliches Risiko der Nutzung des betreffenden Dienstes zum Zwecke der Kontaktaufnahme zu Kindern festgestellt haben. (Artikel 6)
sollen Stores für Software-Anwendungen die erforderlichen Maßnahmen zur Altersüberprüfung und -beurteilung, um minderjährige Nutzer ihrer Dienste zuverlässig zu identifizieren. (Artikel 6)
Welche sonstigen Akteure gibt es?
Das EU-Zentrum
Das EU-Zentrum nimmt die Meldungen der Anbieter entgegen, prüft sie dann, um zu vermeiden, dass offensichtlich falsch-positive Ergebnisse gemeldet werden, und leitet sie an Europol und die nationalen Strafverfolgungsbehörden weiter.
Konkret wird das EU-Zentrum Datenbanken mit Indikatoren für sexuellen Kindesmissbrauch im Internet einrichten, pflegen und betreiben, die die Anbieter nutzen müssen, um ihren Aufdeckungspflichten nachzukommen. Das EU-Zentrum bietet Zugang zu zuverlässigen Erkennungstechnologien und Indikatoren. (Erwägungsgrund 62)
Das EU-Zentrum wird eine Datenbank für die Meldungen betreiben. (Erwägungsgrund 63).
Um eine fehlerhafte Meldung zu vermeiden, sollten die Meldungen über das EU-Zentrum weitergeleitet werden Das EU-Zentrum sollte diese Meldungen bewerten. (Erwägungsgrund 65)
Das EU-Zentrum sollte zuverlässige Informationen darüber bereitstellen, welche Tätigkeiten nach vernünftigem Ermessen als sexueller Kindesmissbrauch im Internet angesehen werden können. (Erwägungsgrund 61)
Das EU-Zentrum Hauptsitz in unmittelbarer Nähe des Sitzes von Europol in Den Haag. (Erwägungsgrund 72)
Koordinierungsbehörden
Eine Koordinierungsbehörde ist eine von den zuständigen Behörden eines EU-Mitgliedstaats benannte Institution, die im Rahmen der Verordnung die zentrale Anlaufstelle und Verantwortliche für die Umsetzung dieser Verordnung im nationalen Hoheitsbereich ist.
Meldestellen
Meldestellen sollen bei der Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Internet an erster Stelle stehen. (Erwägungsgrund 70)





