Am 16. Prozesstag ist die Zahl der Zuschauer auf eine kleine überschaubare Gruppe geschrumpft. Das öffentliche Interesse hat wohl stark nachgelassen. Es werden im Prozess nun auch weniger komplett neue Erkenntnisse gewonnen. Vieles wiederholt sich.
Die Kinder- und Jugendpsychiaterin
Der Prozess beginnt mit der Vernehmung der Ärztin, die Mouhamed in der LWL Klinik psychologisch begutachtet hat. Mouhamed hatte einen Tag vor seinem Tod die Wache Nord aufgesucht und dort Suizidgedanken geäußert. Daraufhin wurde er mit einem RTW in die LWL Klinik verbracht.
Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch über den Tod hinaus. Der Arzt kann dann aber nach dem mutmaßlichem Willen des Betroffenen handeln. So entschließt sich die Ärztin Auskunft zu geben.
Die Ärztin, eine 60-jährige Kinder- und Jugendpsychiaterin, beschreibt Mouhamed zunächst als wach und kooperativ.
Es gibt für uns zwei bemerkenswerte Aussagen Mouhameds gegenüber der Ärztin.
Mouhamed habe angegeben in sein Heimatland zurückkehren zu wollen.
In Bezug auf seine Eltern habe er sogar falsche Angaben gemacht. Er habe erklärt, dass er seinen Vater auf der Flucht verloren habe und seine Mutter verstorben sei1.
Nach einer einstündigen Anamnese kommt die Ärztin zu dem Befund, den sie gemäß ihrer Notizen mit wach, orientiert, keine Denkstörungen, kein wahnhaftes Erleben wiedergibt.
Er habe sicher gesagt, dass er sich nicht umbringen wolle. Er habe sich sicher von seinen suizidalen Absichten distanziert. Er wolle nicht weiter behandelt werden. So der Tenor der Aussage der Ärztin. Auf Basis seiner Angaben sei er dann aus der Klinik entlassen und mit einem Taxi in die Jugendhilfeeinrichtung, in der er untergebracht war, zurückgebracht worden. Für eine freiheitsentziehende Maßnahme sah die Ärztin wohl keine Möglichkeit oder Notwendigkeit.
Auf die Frage eines Verteidigers, ob denn alles „de lege artis“ gelaufen sei, wollte die Zeugin keine Angaben machen.
Der Notarzt
Als nächstes wird der Notarzt, der Mouhamed im Rettungswagen behandelt hat, gehört. Er bestätigt, das bisher Bekannte. Mouhamed sei sehr „wehrig“ gewesen und hätte von Polizisten noch im Rettungswagen festgehalten werden müssen, was die Untersuchung und die Behandlung sehr erschwerte. Intubieren oder einen Zugang zu legen sei nicht möglich gewesen. Normalerweise wird ein Notfall komplett nach dem ABCDE2 Schema untersucht. Man habe sich dann aber entschlossen Mouhamed so schnell wie möglich in das nahegelegene Krankenhaus zu bringen. Die Vitalwerte seien ok gewesen und haben sich erst in der Notaufnahme massiv verschlechtert.
Die Diplomsozialarbeiterin
Nach einer Unterbrechung von etwa 30 Minuten wird die nächste Zeugin eine 58-jährige Diplom Sozialarbeiterin eine Mitarbeiterin des Jugendamts Rhein-Pfalz-Kreis, die für geflüchtete Minderjährige zuständig ist, gehört. Sie hatte telefonisch auf Französisch mit Mouhamed gesprochen auch unter Einbeziehung eines Dolmetschers.
Mouhamed sei 6 Wochen in einer Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Zornheim gewesen. Dort werden Herkunft, Alter usw.3 geklärt. In der Clearingstelle habe Mouhamed angegeben sein Vater und seine Mutter seien gestorben. Er habe keine Familie mehr4. Das Boot sei untergegangen.
Außer durch Schwarzfahren sei Mouhamed nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Mouhamed sei 3-mal abgängig gewesen und zweimal von uniformierten Polizisten zurückgebracht worden. Ziel sei wohl Dortmund (der BVB) gewesen.
Der Minderjährige habe von der Botschaft im Senegal „Erwachsenenpapiere“ bekommen.
Wichtig scheint noch, dass die Zeugin mit Mouhamed etwa eine Stunde vor dem Vorfall wohl noch telefoniert hat. Dabei habe sie im Hintergrund den Satz „Das legst du bitte weg“ auf Deutsch gehört. Es sei um ein Messer gegangen.
Wie geht es weiter
Es folgen nun einige kürzere Termine in denen z.B. Gutachter gehört werden.
Disclaimer
Trotz sorgfältiger Recherche lassen sich Fehler nicht zu 100% ausschließen. Bitte senden Sie ggf. eine E-Mail an hdt@gluon.press, so dass wir eine Korrektur vornehmen können. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass im Ermittlungsverfahren die Unschuldsvermutung gilt. Dessen Einleitung bedeutet nicht, dass der strafrechtliche Vorwurf tatsächlich zutrifft.
- Es ist möglich, dass geflüchtete Minderjährige zunächst wichtige Angaben verschweigen oder falsche Informationen weitergeben, z.B. wenn sie noch unter Einfluss von Falschinformationen durch Schlepper stehen oder sich durch diese bedroht fühlen.
↩︎ - ABCDE -Schema
A – Airway (Atemweg)
B – Breathing (Beatmung)
C – Circulation (Kreislauf)
D – Disability (Defizit, neurologisches)
E – Exposure/Environment (Exploration)
↩︎ - Eine Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge klärt die folgenden Sachverhalte
• Familiäre Verhältnisse (Verbleib der Eltern, letzter Kontakt, Geschwister und weitere Angehörige)
• Bildungshintergrund (Schulbesuch, Lernerfahrung)
• Ausbildungs- und Berufswunsch
• Gesundheitsentwicklung
• Mögliche Zielvorstellungen der Eltern und anderer Angehöriger
• Situation der Familie im Herkunftsland (Wohnverhältnisse, finanzielle Situation, Erziehungsmuster, Freizeitverhalten, religiöses Umfeld)
• Fluchtgründe, Einreisemotiv und Fluchtweg
• Bisherige Aufenthaltsorte
• Zielort in oder außerhalb Deutschlands
• Aufenthaltsort von Verwandten und anderen Bezugspersonen
↩︎ - Es ist möglich, dass geflüchtete Minderjährige zunächst wichtige Angaben verschweigen oder falsche Informationen weitergeben, z.B. wenn sie noch unter Einfluss von Falschinformationen durch Schlepper stehen oder sich durch diese bedroht fühlen. ↩︎