Heute besuchen wir einen besonderen Lost Place, das Sterbecker Tal bei Rummenohl zwischen Lüdenscheid und Hagen. Einsam in einem engen Tal gelegen stehen hier auf dem etwa ein Quadratkilometer großen Areal noch einige teils sehr verfallene Gebäude der ehemalig dort ansässigen Sprengstoffwerke. Die abgeschiedene Lage ist eben jenen hochexplosiven Stoffen geschuldet, die hier entstanden. Aber man darf sich nicht täuschen lassen, nicht alle Gebäude sind aufgegeben. Es gibt hier noch einige Bewohner und Gewerbebetriebe. Auch eine Art Campingplatz scheint sich hier etabliert zu haben. Die Geistersiedlung erinnert uns etwas an das Geisterdorf Doel in Belgien, auch wenn hier im Tal der Verfall in Teilen doch weiter fortgeschritten ist.
Wir respektieren die Privatsphäre der vorhandenen Bewohner. So halten wir möglichst nur offensichtlich verlassene Gebäude im Bild fest oder wir wählen eine passende Perspektive.
Die Geschichte
Um 1905 musste sich die Castroper Sprengstoff AG, die spätere Westdeutsche Sprengstoffwerke AG, einen neuen Standort suchen, weil die bestehende Produktion im Ruhrgebiet nach neuen gesetzlichen Bestimmungen zu nah an den umliegenden Häusern lag. Das Sterbecker Tal im Sauerland bot beste Voraussetzungen für die neue Fertigungsstätte. Die Grundstückspreise waren günstig, die Abstände zu den nächsten Dörfern und Siedlungen groß, und der durch das Tal fließende Bach ließ die Nutzung von Wasserkraft zu. Das Werk zur Herstellung von chemischen Sprengstoffen umfasste anfangs etwa 30 Gebäude, darunter diverse Lagerhäuser, Bunker, ein Maschinenhaus und ein Laboratorium. Auf dem Gelände verkehrte eine Schmalspur Werksbahn mit Anschluss an den Bahnhof Rummenohl.
Nach der Fusion mit der Dynamit-Nobel AG wurde im Jahr 1910 die Produktion ausgeweitet und etwa 60 weitere Gebäude errichtet. Zu Spitzenzeiten arbeiteten bis zu 2000 Mitarbeiter für die Sprengstoffwerke. Sie produzierten täglich 6 bis 7 Tonnen Sprengstoff, welche zu dieser Zeit vorwiegend im Bergbau aber auch im Straßen- und Tunnelbau Verwendung fanden.
Während des ersten Weltkriegs produzierte man dann Granaten und Wurfminen. Danach verlor die Sprengstofffabrik schlagartig an Bedeutung. In den 1920-er Jahren ging der Absatz immer weiter zurück, so dass die Unternehmensleitung versuchte, die Ausfälle durch die Herstellung und den Vertrieb anderer Produkte zu kompensieren. Man spezialisierte sich auf Schreibmaschinen-Farbbänder, Tinte und Klebstoff. Schließlich konnte auch damit das Unternehmen nicht gerettet werden. Am Ende der Weltwirtschaftskrise wurde das Werk im Jahr 1932 geschlossen.
1944 wurde im Sterbecker Tal ein Arbeitslager für 400 osteuropäische Zwangsarbeiter eingerichtet. Mehrere Unternehmen aus dem nahe gelegenen Hagen richteten hier Außenstellen ein. Einerseits befürchteten die Verantwortlichen wohl bereits die Bombardierung ihrer Stammwerke, andererseits gingen sie offenbar davon aus, dass „der Feind“ hier auf das Gefangenenlager keine Bomben abwerfen würde. In der Tat gab es ganz im Gegensatz zum Hagener Stadtgebiet keinen einzigen Angriff im Sterbecker Tal zu verzeichnen.