OLG Düsseldorf – Messerangriff von Solingen 14. Prozesstag

35

Am Freitag, den 23. August 2024, gegen 21:30 Uhr starben drei Menschen bei dem Messerangriff auf einem Stadtfest mit dem Motto: „Fest der Vielfalt“ in Solingen. Zehn weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Der geständige Angeklagte Issa Al H. muss sich dafür vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht verantworten.

Das ungebührliche Verhalten

Der 14. Prozesstag beginnt mit dem ungebührlichen Verhalten des Angeklagten. Er bleibt beim Eintreten der Richter einfach sitzen. Der vorsitzende Richter van der Grinten rügt dieses Verhalten „Das können wir so nicht tolerieren!“. Der Angeklagte, Issa al H., gibt zunächst an es gäbe keinen Grund für sein Verhalten. Der Richter könne Maßnahmen ergreifen, wie er wolle. Es gäbe Fotos von ihm im Internet erklärt der Angeklagte dann doch. Er solle eine Bedrohung für die Brücken sein. „Als ob ich die Brücken in die Luft sprengen würde.“.

Die Handy-Daten Auswertung

Die Verhandlung beginnt dann mit der Vernehmung einer 26-jährigen Kriminalkommissarin, die mit der Auswertung der auf den zwei sichergestellten Handys des Angeklagten befasst war. Es werden etliche Bilder und Screen Shots in Augenschein genommen. Neu sind die Fotos vom Auffinde Ort des zweiten Handys hinter der Flüchtlingsunterkunft in Solingen, den der Angeklagte selbst dem Gericht bekanntgegeben hatte. Das zweite Handy befand sich dort in einer Tüte zusammen mit einem Deutschland Ticket. Aus der Auswertung der Handy Daten des zweiten Handys ergeben sich keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf die Tat selbst.

Der Richter möchte zu einem Chatpartner wissen, ob dieser auf den Angeklagten eingewirkt habe. Aus den Chatprotokollen ergäbe sich, dass der Chatpartner eher nicht anleitend oder motivierend war, erklärt die Zeugin. Er solle nichts überstürzen hätte dieser geschrieben.

Als es um die „Selbstkommunikation“ des Angeklagten geht, der Angeklagte hat sich selbst Nachrichten von einem Handy zum anderen Handy geschickt, fragt der Angeklagte wie man darauf komme, dass er „Selbstgespräche“ führe. Der Richter nutzt das, um weitere Fragen dazu zu stellen. Ob er diese Daten, die er auf das andere Handy geschickt hat, gerne behalten wollte, fragt der Richter. Der Angeklagte antworte mit „Ja“. [Möglicherweise hat der Angeklagte hier den Begriff „Selbstkommunikation“ missverstanden. Ich habe, wie auch schon in Terminen zuvor, das Gefühl, dass der Angeklagte sich „unverstanden“ fühlt und etwas erklären möchte.]

Weiter geht es um ein Bild, dass eine Explosion in Tel Aviv zeigt. Warum er dieses Bild gespeichert habe, möchte der Richter vom Angeklagten wissen. Der Angeklagte erklärt, dass sei eine Nachricht wie jede andere. Auf die Bemerkung des Richters „In ihren Kopf kann niemand reingucken.“ entgegnet der Angeklagte „Fragen sie den Psychiater!“. [Für mich wieder ein Indiz, dass etwas in dem Angeklagten brodelt. Während alle anderen rätseln sitzt er da und kann alles erklären?]

Zu den Chats, die der Angeklagte mit Frauen hatte, erklärt die Zeugin, dass der Angeklagte im Umgang mit den Frauen durchaus einfühlsam war, aber wenn die Frauen sich nicht so verhielten wie er das gewollt habe sei er sehr unhöflich und drohend gewesen.

Zu einem Bild, welches ein Flaschendrehen und eine Person mit einer Kalaschnikow zeigt, erklärt der Angeklagte von sich aus, dass dieses im Jemen aufgenommen worden sei. Es sei dort ein üblicher Scherz, dass derjenige, wo die Flasche stehen bleibt, mit Eiern beworfen würde. In dem Fall halt mit einer Kalaschnikow. Der Verteidiger wirft ein, dass Kalaschnikow ein Übersetzungsfehler sei, woraufhin der Angeklagte erklärt, dass es tatsächlich um die Kalaschnikow ginge. [Welche Rolle die Kalaschnikow in dem Zusammenhang genau spielt, bleibt für mich unklar. Es verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass der Angeklagte etwas erklären möchte.]

Dann erklärt der Angeklagte, dass er eine Pause benötige.

Der Richter kündigt noch an, was noch für den Prozesstag ansteht. Es geht unter anderem um Adhäsionsanträge der Nebenkläger. Es folgt eine Pause von 20 Minuten.

Keine Einlassung?

Nach der Pause verliest der Richter noch eine Strafanzeige der Polizei. Dabei werden die Bilder der „Spurensicherung an Leichen“ in Augenschein genommen.

Damit sei das Programm durch und der Richter fragt den Verteidiger in Bezug auf eine mögliche Einlassung des Angeklagten am nächsten Prozesstag. Der Verteidiger erklärt, dass eine Einlassung seines Mandanten für den nächsten Prozesstag nicht angedacht sei.

Dann verliest der Richter noch eine islamwissenschaftliche Stellungnahme des BKA in Bezug auf Sulaiman Al-Alwan, die Person, die der Angeklagte in einem früheren Termin auf einem Foto identifiziert hat. Sulaiman Al-Alwan sei prominent und vertrete militant islamistische Ansichten. Er sehe auch Suizidattentate als legitimes Kampfmittel. Die Bewertung Sulaiman Al-Alwans in dem Gutachten scheint den Angeklagten zu triggern. Jetzt bricht es förmlich aus ihm heraus. Sichtlich erregt beginnt der Angeklagte einen minutenlangen Redeschwall.

Der Redeschwall

Ich fasse diesen Redeschwall kurz zusammen und gebe danach einige eindrückliche Stellen bzw. Zitate im Detail wieder.

Der Angeklagte sieht den Staat [Deutschland] als Verantwortlichen, da Deutschland Waffen an Israel liefere. Während in Palästina Kinder bombardiert würden, würde hier getanzt. Das sei nicht in Ordnung. Seine Tat sei kein Terrorismus, das sei eine „Reaktion“. Er habe zunächst geplant ein Molotow-Cocktail auf die [israelische] Botschaft in Berlin zu werfen, davon aber Abstand genommen. Er habe dann von dem Stadtfest erfahren. Es würden weitere Anschläge geschehen.

Die Details

Angeklagter: „und wenn wir dann reagieren, dann nennt man das Terrorismus!“.

Angeklagter: „Die Kinder der Muslime werden bombardiert! Das ist nicht in Ordnung!“.

Der Richter möchte wissen, ob „wir“ die Muslime meint. Angeklagter: „Es gibt keinen Hass zwischen Muslimen und Christen!“.

Es sei nicht von Hass motiviert. Der Staat trage die Verantwortung, erklärt der Angeklagte.

Richter: „Haben Sie deshalb Menschen getötet?“ Angeklagter: „Weil sie tanzten!“

Richter: „War es richtig das zu tun?“ Angeklagter: „Ich weiß nicht.“

Richter: „Ist das kein Terrorismus? Angeklagter: „Das ist eine Reaktion!“

Angeklagter: „Ich war auf der Feier, weil die getanzt haben.“

Angeklagter: „Ich möchte nichts mehr sagen.“

Der Richter konfrontiert den Angeklagten, dass ja bereits um 4 Uhr Fotos gemacht habe. Da wären keine Kinder da gewesen! Die Tat sei nicht spontan gewesen. „Wir haben gesehen, wie sie das Messer kaufen.“ Daraufhin erklärt der Angeklagte, dass er zunächst die [israelische] Botschaft in Berlin habe angreifen wollen.

Angeklagter: „Habe gesehen wie Kinder leiden und hier wird getanzt!“

Angeklagter: „Ich trage keine Verantwortung, sondern der Staat.“

Angeklagter: „Es werden weitere Anschläge passieren!“

Richter: „Halten Sie das weiter für richtig?“ Er habe Mitleid mit den Kindern, erklärt der Angeklagte.

Richter: „Wie stehen Sie da heute zu?“ Angeklagter: „Ich werde einfach in den Knast gehen.“

Angeklagter: „Wenn Kinder zerstückelt werden, dann möchte ich kein Leben.“

Angeklagter: „Ich kann die Gefahr beseitigen. Das werde ich tun.“

Angeklagter: „Keiner macht irgendetwas.“

Angeklagter: „Die Amerikaner haben 2 Millionen massakriert.“

Der Richter fragt den Angeklagten in Bezug auf die Bilder der Verletzungen der bei dem Anschlag getöteten Opfer, die der Angeklagte zuvor gesehen habe. Der Angeklagte erklärt dazu „Panik“. Er habe genau das Gefühl, wenn Kinder abgeschlachtet würden.

Angeklagter: „Ich werde die Verantwortung übernehmen.“

Angeklagter: „Ich mache euch keinen Vorwurf, wenn die Araber ihre Kinder abschlachten lassen.“

Nach diesem Redeschwall regt die Nebenklage eine Pause an.

Die Adhäsionsanträge

Die Nebenklage stellt die Adhäsionsanträge. Es geht um Schmerzensgeld in Höhe von 20.000EUR bis 200.000EUR. Der Verteidiger wird sich nur schriftsätzlich dazu äußern. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Beträge eingetrieben werden können, dürften äußerst gering sein.

Wie geht es weiter

Am 02.09.2025 geht es mit der Vernehmung des forensischen Psychiaters Johannes Fuß weiter. Damit wäre nach jetzigem Stand die Beweisaufnahme abgeschlossen. Dann könnten die Plädoyers folgen.

Disclaimer

Trotz sorgfältiger Recherche lassen sich Fehler nicht zu 100% ausschließen. Bitte senden Sie ggf. eine E-Mail an hdt@gluon.press, so dass wir eine Korrektur vornehmen können. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass im Ermittlungsverfahren die Unschuldsvermutung gilt. Dessen Einleitung bedeutet nicht, dass der strafrechtliche Vorwurf tatsächlich zutrifft.

Quelle

Der Autor im Gerichtssaal.