Heute sagen eine Kommissaranwärterin und ein Kommissaranwärter aus. Beide haben im Rahmen ihres ersten Praktikums, quasi als erste praktische Erfahrung in ihrem Beruf, den Einsatz um Mouhamed Dramé miterleben müssen.
Die Rituale
Der Zeuge und die Zeugin werden nach ihrer Person befragt und belehrt, dass Falschaussagen strafbar sind.
Der Vertreter der Nebenklage stellt sich den Zeugen als Professor F. vor.
Die Vernehmungen
Wir beginnen wieder mit den Punkten, die nicht direkt das Tatgeschehen betreffen.
Die Vorbereitung
Sowohl die Zeugin als auch der Zeuge geben an sich auf die Vernehmung vorbereitet zu haben. Der Zeuge merkte an, es wäre schlimm, wenn nicht. Er sei in Gedanken das Geschehen noch einmal durchgegangen.
Die persönlichen Aufzeichnungen
Der Vertreter der Nebenklage befragte den Zeugen zu Aufzeichnungen, die der Zeuge sich kurz nach dem Einsatz gemacht haben soll. Der Zeuge gab an, dass er sich auf Anregung seiner Tutorin Aufzeichnungen gemacht habe, er diese nun aber nicht mehr habe bzw. nicht mehr finden könne.
Der Auftrag
Beide Zeugen gaben an im Rahmen ihres Praktikums keine aktive Aufgabe in Bezug auf den Einsatz gehabt zu haben. Sie sollten erste praktische Erfahrungen sammeln und im konkreten Fall nur beobachten. Erst im Nachgang hätten sie dann Schaulustige vom Einsatzort abgehalten.
Der Beziehungsstatus
Beide Zeugen gaben an, dass sie bedingt durch ihr Praktikum die meisten am Einsatz beteiligten Polizisten gekannt haben. Für die Zeugin war die Polizistin, die das Pfefferspray gesprüht hat, Tutor. Der Zeuge war mit dem späteren Schützen im Streifenwagen unterwegs.
Beide Zeugen gaben an, dass in der folgenden Zeit nicht über den Fall in Bezug auf den Ablauf bzw. die Einsatztaktik gesprochen worden sei. Insbesondere der Zeuge wurde vom Vertreter der Nebenklage, dem Professor, dazu eingehend befragt.
Der Professor hält dem Zeugen dazu zwei Sprachnachrichten einer der Angeklagten vor, die auf gegenteiliges hindeutet. In der ersten Sprachnachricht fragt sie sich unter dem Tenor „Der war psycho“, ob man die Lage hätte statisch halten können. In der zweiten geht es darum sich selbst zu hinterfragen. Es mache sich aber niemand Sorgen, dass die Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden könnte.
Am Ende wohl ein Trugschluss, denn der Staatsanwalt hat genügend Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht gesehen und ein Verfahren eingeleitet.
Anzunehmen, dass da überhaupt keine bilateralen Gespräche oder Gedanken in Bezug auf Zweifel an der Einsatztaktik insbesondere in Bezug auf die Folgen gegeben hat, ist aus unserer Sicht wohl weltfremd. Die Vertreter der Nebenklage scheinen hier allerdings noch mehr zu vermuten.
Die statische Lage
Die statische Lage, wohl das Lieblingsthema des Professors, hat diesmal gerade bei der Befragung des Zeugen viel Raum eingenommen. Immer wieder wurde der Zeuge in Bezug auf die Einsatztaktik befragt. Hätte man aus seiner Sicht etwas besser machen können? Wurde darüber im Nachgang nicht gesprochen?
Der Zeuge zog sich dabei auf die Position zurück, dass er, damals Berufsanfänger, keine Einschätzung abgeben wolle und könne. Dazu solle der Nebenkläger besser Kollegen befragen, die schon 20 Jahre auf der Straße tätig seien. Er könne nicht beurteilen, ob Mouhamed, weil er da schon länger stand, dies auch weiterhin getan hätte oder ob er sich im nächsten Moment das Messer in den Bauch gestochen hätte.
Der Vertreter der Nebenklage befragte den Zeugen insbesondere in Bezug auf den Einsatz des Pfeffersprays (RSG8). Da der Zeuge sich auch hier auf die Position zurückzog Berufsanfänger zu sein, fragte der Professor dann, ob der Einsatz des Pfeffersprays aus heutiger Sicht logisch gewesen sei. Worauf er keine Antwort erhielt.
Der Tathergang
Beide Zeugen wurden sehr detailliert befragt. Hier ging es u.a. wieder um Positionen der Beteiligten und Abstände.
Die Zeugen bestätigen durch ihre Aussagen im Wesentlichen das bisher Bekannte, daher geben wir hier nur die Punkte wieder, die unserer Sicht darüber hinaus einen gewissen Erkenntnisgewinn bieten.
Der Befehl zum Einsatz des Pfeffersprays sei per Funk gegeben worden meinte der Zeuge. Das Pfefferspray sei auf Mouhamed „herabgeregnet“.
Der Zeuge habe es als bedrohlich empfunden als Mouhamed auf die Beamten zugelaufen sei.
Bei der Fixierung Mouhameds als er nach den Schüssen am Boden lag habe der Einsatzleiter „Messer weg“ auf deutsch und englisch gerufen.
Beide Zeugen wurden wohl im Hinblick darauf befragt, ob ein Notarzt vor Ort war.
Der Vertreter der Nebenklage löste wohl durch seine Art der Fragestellung einen kleinen Eklat aus. In der Fragestellung versuchte der Professor die Aussage unterzubringen Mouhamed sei nach dem Pfeffersprayeinsatz auf die Polizisten „zugegangen“ und nicht wie vom Zeugen bereits mehrfach gesagt „gelaufen“. Ein Verteidiger intervenierte.
Wie geht es weiter
Der Prozess soll am Mittwoch, den 20. März, fortgesetzt werden. Dann sollen weitere Zeugen gehört werden, insbesondere ein Zeuge, der schon mal geladen war und aus Zeit Gründen nicht vernommen werden konnte. Die Angeklagten haben sich bisher noch nicht zum Geschehen geäußert.
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