Amtsgericht Düsseldorf – Klimakleber für Aktion am Flughafen verurteilt

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Zahlreich sind die Pressevertreter zum Prozess gegen Klimakleber Jan S. am Amtsgericht Düsseldorf erschienen. Unterstützer sind wohl nur zwei im kleinen Gerichtssaal, der damit komplett gefüllt ist.

Die Anklage

Jan S. soll an der Klebeaktion am Flughafen Düsseldorf beteiligt gewesen sein. Er soll gemeinschaftlich mit gesondert Verfolgten in das befriedete Besitztum eines anderen eingedrungen sein, Sachbeschädigung begangen und mit Gewalt Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet haben. Zum Tatzeitpunkt war er 20 Jahre alt, daher findet die Verhandlung vor dem Jugendstrafrichter statt.

Am 13.04.2023 gegen 5:40 Uhr sei der Stacheldraht auf dem Flughafenzaun an zwei Stellen durchtrennt und danach eine Decke über den Zaun geworfen worden. Dann sei der Angeklagte zusammen mit anderen über den Zaun gestiegen und sei zum Rollfeld gerannt. Dort hätten sie sich mit den Handflächen am Boden festgeklebt. Der Flughafenbetrieb sei daraufhin teilweise eingestellt worden. Passagiere hätten zwei Stunden in Flugzeugen verharren müssen, trägt der Staatsanwalt vor.

Es geht um

§ 123 StGB Hausfriedensbruch
§§ 303 StGB Sachbeschädigung, 303c StGB Strafantrag
§ 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
§ 240 StGB Nötigung
§ 27 StGB Beihilfe
§ 52 StGB Tateinheit, § 53 StGB Tatmehrheit
§ 105 StGB Nötigung von Verfassungsorganen

Es sind zum Termin keine Zeugen geladen. Es hat wohl eine Verständigung stattgefunden.

Die Einlassungen des Angeklagten

Der Angeklagte macht Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen. Er habe auf Lehramt studiert, sich aber exmatrikuliert, weil er inzwischen eine Ausbildung zum Rettungssanitäter abgeschlossen und kurzfristig eine Teilzeitstelle in Aussicht habe.

Der Bundeszentralregisterauszug enthalte zahlreiche Einträge wegen Nötigung und Sachbeschädigung [in Zusammenhang mit weiteren Aktionen], die aber alle nach dem hier verhandelten Sachverhalt liegen. In Berlin wurde der Angeklagte rechtskräftig zu 180 Sozialstunden verurteilt. Rechtsmittel habe er in dem Fall zurückgezogen. Es gibt eine weitere Verurteilung zu 50 Sozialstunden. Die Sozialstunden habe er noch nicht abgeleistet.

Die Erklärung des Angeklagten

Dann möchte der Angeklagte eine Erklärung verlesen. Der Richter macht deutlich, dass er keine politische Erklärung hören möchte. Die Verteidigerin erwidert, dass das Motiv des Angeklagten doch eine Rolle spiele. Die Erklärung ist wohl nur zwei Seiten lang, so dass der Angeklagte diese vortragen kann. [Die Befürchtung des Richters, dass es sich eher um eine politische Erklärung handelt, bestätigt sich aus meiner Sicht.] In der Erklärung spricht der Angeklagte von zivilem Ungehorsam. [Weiter gehe ich auf den Inhalt nicht ein, da politische Erklärungen meiner Ansicht nach nichts in einem Gerichtsprozess zu suchen haben.]

Der Richter möchte noch darauf eingehen, dass die Tat ja wohl geplant war. Dazu möchte der Angeklagte keine Angaben machen erklärt die Verteidigerin. Es ginge um die Motive erklärt der Richter.

Der Angeklagte erklärt, dass es klar gewesen sei, dass Menschen durch die Aktion beeinträchtigt würden, das tue ihm leid.

Der Richter erkundigt sich nach den Zivilklagen, die noch anstünden. Die Verteidigerin erklärt dazu, dass zwei Klagen anstehen würden. Eine Klage vom Flughafen Düsseldorf über eine Forderung von etwa 48.000EUR und eine von Eurowings über eine Forderung von etwa 130.000EUR.

Ob der Angeklagte sich Sorgen mache, möchte der Richter wissen. „Ja sicherlich.“ entgegnet der.

„Wie stehen sie jetzt dazu?“ fragt der Richter den Angeklagten.

Er wolle nicht mehr an Klimaaktionen teilnehmen. Er habe sich gedacht, dass er seine persönlichen Angelegenheiten in Ordnung bringen möchte.

Ein Widerstand für einen höheren Zweck, der zivile Ungehorsam, solle mit Einschränkungen für das Regime und nicht für die Gesellschaft einhergehen, hakt der Richter nach. Der Normenverstoß solle Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit hervorrufen erklärt der Angeklagte.

Der Richter geht darauf ein, dass nie der einzelne an der Seite geschädigt werden solle. „Sie haben sich ja damit beschäftigt.“. „Ich kenne das von Ghandi.“ Für ihn seien die Menschen nie in den Hintergrund getreten. Er habe sich schuldig gefühlt. Es sollte einen Aufschrei produzieren. Er wäre im Zwiespalt gewesen, so der Angeklagte.

Als ein auslösendes Moment gibt der Angeklagte an, er sei mit einer Lehrerin auf einer Demo gewesen. Da habe er angefangen sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Auf die Frage des Staatsanwalts, ob er den Zaun durchtrennt habe, antwortet der Angeklagte Nein, er sei nur drüber geklettert.

Der Beweisantrag der Verteidigung

Die Verteidigerin bittet um 5 Minuten Unterbrechung, es gehe um einen Antrag.

Nach der Unterbrechung stellt die Verteidigerin einen Beweisantrag und trägt einzeln die zu beweisenden Tatsachen vor. Es geht wohl um den Anteil des Luftverkehrs am CO2 Ausstoß. Der Staatsanwalt schaut kurz ins Gesetz und führt § 244 Abs.3 Satz 2 StPO als Grund für eine Ablehnung des Beweisantrags an. [Demnach soll etwas bewiesen werden, was schon bewiesen ist.].

Zudem sei der Antrag nicht nachvollziehbar und kein Rechtfertigungsgrund. „Für die Rechtsfolgenseite werden wir das Motiv würdigen.“ erklärt der Staatsanwalt. Der Staatsanwalt bezweifelte, dass es sich um einen echten Beweisantrag handele. Das lasse er mal dahinstehen.

Der Richter weißt den Beweisantrag mit Hinweis auf § 244 Absatz 3 Satz 6 StPO zurück. Die zu beweisende Tatsache soll als wahr unterstellt werden. [Im Gegensatz zum Staatsanwalt geht der Richter nicht davon aus, dass die Tatsache schon bewiesen ist, sondern dass sie als wahr unterstellt werden kann. Das beinhaltet keine Wertung, ob die Tatsache wahr ist!]

Nach dem Bericht der Jugendgerichtshilfe schließt der Richter die Beweisaufnahme.

Das Plädoyer des Staatsanwalts

Es gehe um zwei Taten erklärt der Staatsanwalt.

  1. Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Sachbeschädigung.
    Bei der Sachbeschädigung sei er nicht nur Gehilfe, sondern Mittäter und als solcher zu verurteilen.
  2. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte tateinheitlich mit Nötigung zum Nachteil der Fluggäste.
    Bei dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gehe es um Gewalt im Sinne der Vorschrift. [Das bedeutet das Ankleben wird als Gewalt gewertet!]
    Bei der Nötigung verweist der Staatsanwalt auf den ähnlichen Sachverhalt bei Straßenblockaden. [Stichwort zweite Reihe Rechtsprechung.]

Die Strafzumessung

Für die Strafzumessung bewertet der Staatsanwalt

– positiv-

dass der Angeklagte noch vor dem Strategiewechsel der Letzten Generation von neuen Aktionen Abstand genommen hat
dass der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hat
dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch nicht vorbestraft war
das Motiv des Angeklagten

-negativ-

dass es sich um 2 Taten handele
dass mehrere Personen betroffen waren. „Das waren keine Superreichen!“
dass ein hoher Schaden entstanden ist
dass in einen Sicherheitsbereich eingedrungen wurde

Der Antrag des Staatsanwalts

Der Antrag des Staatsanwalts lautet 6 Monate Jugendstrafe auf Bewährung. Er gehe von einer positiven Sozialprognose aus.

Die Verteidigerin scheint von dem Antrag des Staatsanwalts überrascht und bittet um eine Unterbrechung.

Das Plädoyer der Verteidigerin

Die Verteidigerin verweist auf den Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Lebens in Bezug auf den Klimawandel [vermutlich Art. 20a GG.] und die Gefahren des Klimawandels. Der Staat komme seinen Schutzpflichten nicht nach. Das sei die Motivation für ihren Mandanten gewesen. Durch die Taten sei das Thema auf der Tagesordnung gewesen und es habe eine Auseinandersetzung mit dem Thema gegeben. Es sei niemals darum gegangen anderen Menschen zu schaden.

In Bezug auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte betonte die Verteidigerin, dass es keinen körperlichen Widerstand bei der Festnahme gegeben habe. Im Protokoll hätte die Polizei auch „Widerstand“ nicht angekreuzt, damit lägen die Voraussetzung des § 113 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nicht vor.

In Bezug auf die Nötigung meint die Verteidigerin, dass die Situation kompliziert sei, anders als bei einer Straßenblockade und geht auf die 2. Reihe Rechtsprechung ein. Was hier die 2. Reihe gewesen sei das sei nicht klar.

Sie führt noch § 34 StGB (Rechtfertigender Notstand) ins Feld. Ihr Mandant habe sich im Notstand befunden. Die Maßnahmen seien geeignet gewesen. Nur eine Demo hätte keine solche Medienwirksamkeit erreicht.

Zur Strafzumessung erklärt die Verteidigerin es sei offensichtlich kein Fall für eine Jugendstrafe. Der hohe Schaden werde zivilrechtlich verfolgt und sei kein Maß für die Schwere der Schuld. Es gäbe keine individuelle Betroffenheit. Ihr Mandant werde den Schaden bezahlen müssen. „Das wird er nie vergessen! Da kommt er nicht raus! Das Geld [was er in Zukunft verdient] wird nie sein Geld sein!“. [Schadenersatzforderungen aus einer unerlaubten Handlung, wie z.B. Sachbeschädigung, sind laut § 302 Insolvenzordnung (InsO) von der Restschuldbefreiung ausgenommen.]

Die Tat sei zwei Jahre her. Es gäbe keine Gefahr der Wiederholung. Der Angeklagte sei persönlich zur Erkenntnis gekommen ohne Strategiewechsel der LG.

Die Verteidigerin hält eine Verwarnung und Sozialstunden für angemessen.

Das letzte Wort

Der Angeklagte beschreibt den „Kampf mit Quarzsand und Bastelkleber“ gegen ein Sytem was nicht adäquat handele. Er setzt den Widerstand der Letzten Generation auf eine Stufe mit dem Kampf für Frauenrechte und die Anti-Atombewegung. „Das ist nichts Neues!“. Er verließt einen Brief von Antonio Guetteres.

Sein Schlusswort: „Wenn Sie mich nicht freisprechen, wird es die Geschichte tun!“

Das Urteil

Der Angeklagte ist [der angeklagten Vergehen] schuldig.
Der Angeklagte wird verwarnt.

Der Richter richtet deutliche Worte an den Angeklagten. Er spricht in Bezug auf den Angeklagten von Selbstgerechtigkeit. Natürlich habe der Angeklagte eine Motivation gehabt. Die Fakten seien wie sie sind. Es sei hier nicht diese Motivation es sei Haltung. Eine Nötigung sieht der Richter als gegeben an. Die 2. Reihe Rechtsprechung hält er für anwendbar.

Ich gebe im Folgenden einige der Kernaussagen wieder.

„Wie kommt man auf den Berg?“ Mit kleinen Schritten! Ein Schritt nach dem anderen! Nur die richtige Route entscheide. Widerstand sei nicht besonders schwer.

„Was machen wir mit Ihnen?“ Eine besondere Schwere der Schuld sähe er nicht erklärt der Richter.

„Einfach mal zuhören! Nicht mitschreiben!“ wendet sich der Richter den Angeklagten. [Der Angeklagte schreibt während der Urteilsverkündung mit!]

„Ich glaube Ihnen, dass Sie das nicht wieder machen.“

30-40 Arbeitsstunden würden nichts bringen.

„Ihre Wahrheit die einzige Wahrheit!“

Der Richter erklärt dem Angeklagten, dass sein Weg in deiner Demokratie nicht der Richtige sei.

„Damit haben Sie der Sache einen Bärendienst erwiesen!“

Man entwerte das eigene Ziel, wenn man die Rechte anderer beeinträchtigt.

[Eine Begleiterin des Angeklagten geht eilends aus dem Saal.]

Von der Auferlegung von Kosten wird abgesehen.

Der Richter möchte den Prozess wohl nicht als politischen Prozess verstanden wissen!

Auf eine Frage des Angeklagten nach der Urteilsverkündung entgegnet der Richter „Es ist eine unnütze Frage!“.

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Quelle

Der Autor im Gerichtssaal.