Amtsgericht Essen – Hitlergruß!? – Freispruch!

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Die Beweisaufnahme

Der Angeklagte, Dustin K., soll während eines Meetings den Hitlergruß gezeigt haben. [Das wäre ein Verstoß gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen).] Der Angeklagte erklärt wegen des Vorfalls eine fristlose Kündigung seines Arbeitgebers erhalten zu haben, gegen die er sich vor dem Arbeitsgericht zur Wehr gesetzt habe. Am Ende sei eine fristgerechte Kündigung dabei herausgekommen.

Richter und Staatsanwalt befragen den Angeklagten zu dem Vorgang an sich und zu den Räumlichkeiten, in denen der stattgefunden haben soll. Er habe gesessen und einen Kollegen begrüßt und dabei eine Armbewegung gemacht erklärt der Angeklagte. In dem Raum wären etwa 16 Personen gewesen, alles Angestellte der Firma, für die er gearbeitet habe. Alle hätten sich untereinander gekannt.

Er habe mit dem Rücken zu der Zeugin gesessen, die den Vorgang beobachtet habe. Die Größe des Raums entspräche in etwa der Größe des Gerichtssaals erklärt der Angeklagte.

Die Zeugen

Dazu werden 3 Zeugen gehört.

Die erste Zeugin bestätigt „Ich habe gesehen, wie Herr K. den Hitler Gruss gemacht hat.“. Auf Nachfrage gibt die Zeugin an, dass der Angeklagte stramm aufgestanden sei und den Hitlergruß gezeigt habe. Sie habe Herrn K. danach persönlich darauf angesprochen. „Kann das sein, dass du den Hitlergruß gemacht hast?“. Woraufhin Herr K. das ihr gegenüber bestätigt hätte. Sie habe das dann an ihre Chefin gemeldet.

Der zweite Zeuge gibt an, dass der Angeklagte ihn mit einer Handbewegung begrüßt habe. Der Angeklagte sei später in einer Pause auf ihn zugekommen und habe von dem Gespräch mit der Zeugin und dem Vorwurf den Hitlergruß gezeigt zu haben berichtet. Er habe das nicht weiter ernst genommen. Der Zeuge gibt weiter an, dass der Angeklagte ihn im Sitzen gegrüßt habe.

Der dritte Zeuge sagt aus, der Angeklagte habe gesessen, als er den Hitlergruß gezeigt haben soll, und jemand habe den Angeklagten gefragt „Haste einen Krampf im Arm?“.

Der BZR des Angeklagten enthält 5 Einträge wegen anderer Delikte.

Das Plädoyer des Staatsanwalts

Der Staatsanwalt beantragt Freispruch für den Angeklagten. Der Staatsanwalt geht nur kurz auf die Zeugenaussagen ein und verweist dann auf die fehlende Öffentlichkeit bei der Tat. [Der objektive Tatbestand des § 86a Abs. 1 StGB ist damit nicht gegeben!]. Es gäbe dazu OLG-Entscheidungen. Es gehe bei der Öffentlichkeit um einen vom Angeklagten nicht mehr zu kontrollierenden Personenkreis. Ihm reiche das nicht für eine Öffentlichkeit erklärt der Staatsanwalt.

Das Plädoyer des Verteidigers

Nicht jedes Verwenden des rechten Arms sei ein Hitlergruß erklärt der Verteidiger und geht auf Unstimmigkeiten in den Aussagen der Zeugen ein. Einmal soll der Angeklagte gestanden und das andere mal gesessen haben. Er verweist darauf, dass der Angeklagte die Grußformel nicht gesagt habe. Den Ausführungen des Staatsanwalts zur nicht vorhandenen Öffentlichkeit bei der Tat schließt sich der Verteidiger an.

Das Urteil

Freispruch!

Der Richter stellt klar, dass die Grußformel nicht zusätzlich gesprochen werden muss. Zudem sei er überzeugt, dass der Angeklagte den Hitlergruß gezeigt habe. Der Richter folgt allerdings der Argumentation des Staatsanwalts in Bezug auf die fehlende Öffentlichkeit. Die Kostenentscheidung folge aus dem Gesetz.

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Öffentlichkeit setzt voraus, dass das Kennzeichen für einen „größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis“ wahrnehmbar ist.
OLG Brandenburg 25.03.2020 Az. 53 Ss 126/19
OLG Frankfurt 08.07.2024 Az. 1 Ws 171/23, 1 Ws 174/23, 1 Ws 175/23, 1 Ws 176/23, 1 Ws 177/23, 1 Ws 178/23
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Quelle

Der Autor im Gerichtssaal.