Verwaltungsgericht Köln – Arne Schönbohm scheitert mit Klage

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Vor dem Verwaltungsgericht Köln klagt Prof. Arne Schönbohm, Ex-Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), gegen die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) auf Schadenersatz.

Der Hintergrund

Arne Schönbohm war seit 2016 Präsident des BSI bis in der Sendung ZDF Magazin Royale vom 07.10.2022 der Eindruck erweckt wurde, er habe Verbindungen zu russischen Geheimdienstkreisen, was ein erhebliches mediales Echo im Hinblick auf die Stellung des Klägers als Leiter einer großen sicherheitsrelevanten Bundesbehörde auslöste. Mitte Oktober 2022 stellte Arne Schönbohm selbst einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens, um die aus seiner Sicht haltlosen Vorwürfe gegen ihn aufklären zu lassen. Kurze Zeit später untersagte das BMI Arne Schönbohm die Führung seiner Dienstgeschäfte, wogegen er beim Verwaltungsgericht Köln die Gewährung von Eilrechtsschutz beantragte. Noch während des laufenden Verfahrens versetzte das BMI Arne Schönbohm zum BMI. Das BMI übertrug ihm ab dem 01.01.2023 die Funktion des Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV). Zuvor war die Besoldung dieser Stelle auf das Niveau der Besoldung von Arne Schönbohm angehoben worden. Damit entfiel das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen stellte das BMI dann Ende April 2023 ein.

Die Klage

Ende August 2023 erhob Arne Schönbohm dann die Klage auf Schadenersatz in Höhe von 5.000EUR vor dem Verwaltungsgericht Köln. Er behielt sich die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens vor. Zur Begründung der Klage trug er im Wesentlichen vor, dass die Beklagte die ihm gegenüber bestehende Fürsorgepflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt habe, um zielgerichtet seine Absetzung als Präsident des BSI zu betreiben. Das Verhalten sei angesichts der Gesamtumstände sogar als Mobbing zu bezeichnen.

Der Prozess

Der Richter arbeitet die zu prüfenden Punkte sehr strukturiert ab.

Die Zulässigkeit

Der Richter beginnt mit der Zulässigkeit der Klage. Die Klage sei möglicherweise treuwidrig. Es habe eine außergerichtliche Einigung gegeben. Die Beklagte habe sich an den Kosten des Rechtsstreits beteiligt im Gegenzug aber wohl, wie in solchen Fällen üblich, den Verzicht auf weitere rechtliche Schritte des Klägers verlangt. Hier geht es dem Richter um das Wort „hinsichtlich“, was die möglichen rechtlichen Schritte, auf die der Kläger verzichtet, möglicherweise einschränkt. Es werden wohl auch konkrete rechtliche Schritte aufgeführt. Die Beklagtenvertreterin bleibt bei der Auffassung die Klage sei treuwidrig. „Wir wollten Frieden in die Sache bringen.“ „Genau so etwas wollten wir verhindern!“. Während der Anwalt Schönbohms davon ausging, dass nur bestimmte Rechtsmittel ausgeschlossen werden sollten, z.B. eine Konkurrentenklage in Bezug auf die Abberufung als Präsident des BSI.

Konkurrenten um eine Stelle, die nach Beamtenrecht vergeben wird, versuchen oft, die Besetzung der Stelle mit einem Konkurrenten ob vermeintlicher Ungleichbehandlung auf dem Rechtsweg anzufechten. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss der unterlegene Bewerber nicht plausibel machen, der geeignetere Kandidat für das zu besetzende Amt gewesen zu sein. Er muss nur nachweisen, dass das Auswahlverfahren an Fehlern gelitten hat und bei rechtmäßigem Verfahren auch er hätte ausgewählt werden können.

Wir werden das zu bewerten haben, so der Richter.

Der Schadenersatz

Ein Schadenersatzanspruch eines Beamten gegen den Staat ist wohl nicht direkt festgeschrieben „Schadenersatz steht nicht im Gesetz.“. Er ergibt sich indirekt aus einer Pflichtverletzung des Dienstherrn. Der Dienstherr ist aufgrund § 45 BeamtStG verpflichtet, die Persönlichkeitsrechte seiner Beamtinnen und Beamten zu schützen und insbesondere Schädigungen ihrer körperlichen oder seelischen Gesundheit zu vermeiden. Der beamtenrechtliche Schadenersatzanspruch besteht aufgrund des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses als „quasi-vertraglicher“ Anspruch analog § 280 Abs. 1 BGB.

Dabei hat der primäre Rechtsschutz allerdings Vorrang. Es geht um den Grundsatz „(Kein) Dulde und Liquidiere“. Dieser besagt, dass es ein haftungsausschließendes Mitverschulden begründet, wenn eine rechtswidrige Maßnahme zunächst klaglos hingenommen wird und später dann aber Schadensersatz bzw. Entschädigung verlangt wird.

Die materiellen Schäden

Arne Schönbohm versucht im Verfahren 3 Arten von materiellen Schäden geltend zu machen, Anwaltskosten, zusätzliche Fahrtkosten und gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Die Anwältin des BMI trägt vor, dass die Anwaltskosten wenig substanziiert seien. Zudem seien Anwaltskosten nur bis zur gesetzlich festgelegten Höhe erstattungsfähig.

Die Höhe der anwaltlichen Vergütung ergibt sich entweder aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder aus einer Vergütungsvereinbarung. Vergütungsvereinbarungen sind statt der Abrechnung der gesetzlichen Gebühren immer möglich.

Ebenso unsubstanziiert bewertet sie den Vortrag zu den Fahrtkosten. Hinzu kommt, hier hätte Arne Schönbohm zuerst gegen die Versetzung vorgehen müssen.

Auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien wenig substantiiert.

Der Richter erklärt dazu „Wir haben alles gelesen!“.

Der Anwalt von Arne Schönbohm hält wohl die gesetzlichen Abrechnungssätze für Rechtsanwälte in so einem Fall für realitätsfern. Arne Schönbohm fühlte sich in der konkreten Situation wohl „erpresst“, in der Form „Ich mache Ihnen ein Angebot, dass Sie nicht ablehnen können.“. Er sei am Freitagnachmittag kontaktiert worden und sollte wohl noch am Wochenende antworten. Die 20.000EUR aus einem Vergleich seien ja nur ein Zuschuss. Insgesamt hätten die Anwaltskosten 54.000EUR betragen.

Die Vertretung des BMI enthielt sich einer Bewertung.

Arne Schönbohm überreichte dem Gericht noch ein Dokument mit der Aufstellung der Kosten. Den Schadenersatz bezüglich der Fahrtkosten und der gesundheitlichen Beeinträchtigungen wollte Arne Schönbohm dann fallen lassen.

Die immateriellen Schäden

Der Richter bezieht sich auf die Definition von Mobbing und verweist auf eine dazu ergangene Entscheidung.

„Mobbing“ ist „…die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzende Verletzungshandlung…“, ein „systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren“. Einzelne dieser Handlungen können für sich betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung haben. „Mobbing“ stellt also keine einzelne, die Fürsorgepflicht mehr oder weniger verletzende Handlung dar. Zu bewerten ist vielmehr eine zusammenfassende Betrachtung des Gesamtverhaltens im Hinblick auf systematische anfeindende, schikanöse oder diskriminierende Handlungen.

Es komme auch auf die Motivation an, so dass das Gericht die Gesamtumstände zu bewerten habe. Arne Schönbohm und die Beklagte trugen hierzu ihre Sicht der Dinge vor.

Der Richter geht daraufhin einige Fragestellungen durch.

„Ist die Absicht Arne Schönbohm nicht weiter beim BSI einzusetzen rechtswidrig?“. Der Richter führte dazu aus, die neue Stelle sei ebenfalls nach B8 besoldet, es ginge nicht um eine Entlassung und ein Beamter können versetzt werden.

Der Richter betrachtet auch noch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Das Verbot sei kein Schuldvorwurf, eher eine „Zwangsbeurlaubung“. Die Verantwortung für die ungerechtfertigten Presseangriffe läge eher bei Böhmermann und nicht beim BMI.

Die Verzögerung des Eilverfahrens habe man zu bewerten. Ist das in Schädigungsabsicht geschehen oder war das ein Kollateralschaden.

Zuletzt betrachtet der Richter noch eine mögliche Verletzung der Fürsorgepflicht jenseits von Mobbing in Bezug auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten von Arne Schönbohm. Dann könnte ein Anspruch nach § 253 Absatz 2 BGB „Immaterieller Schaden“ bestehen. In dem Fall müsse die Persönlichkeitsverletzung durch eine Verletzung der Fürsorgepflicht allerdings schwerwiegend sein. Arne Schönbohm führt hierzu aus, die Beklagte habe nichts unternommen, um ihn zu schützen. Er berichtet von Morddrohungen, Anfeindungen in seinem Umfeld und Mobbing seiner Kinder in der Schule. Er habe seine Familie schützen wollen.

Die Anträge

Der Anwalt von Arne Schönbohm stellt den Antrag 5.000EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen und wenig überraschend beantragt die Beklagte die Klage abzuweisen.

Das Urteil

Nach mehr als einer Stunde Beratung wies das Gericht die Klage ab.

Es spräche vieles dafür, dass die Beklagte ihrer Fürsorgepflicht nicht hinreichend nachgekommen sei, indem sie sich nicht stärker schützend vor den Kläger gestellt habe. Es ließe sich aber nicht feststellen, dass gerade daraus eine für den geltend gemachten Anspruch erforderliche schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers resultiere. Arne Schönbohm habe aufgrund der ZDF Sendung im Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung gestanden mit den damit verbundenen negativen Folgen.

Das Gericht sah für den Tatbestand des Mobbings keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dass eine systematische Anfeindung, Schikanierung und Diskriminierung gegenüber dem Kläger stattgefunden habe ließe sich bei einer zusammenfassenden Würdigung der Ereignisse nicht feststellen.

Ob das Verbot der Führung der Amtsgeschäfte rechtmäßig war, müsse insoweit nicht entschieden werden. Es sei in der gegebenen Situation nicht fernliegend ein solche Maßnahme zu treffen. Es sei nicht erkennbar, dass das Verbot gezielt eingesetzt worden wäre um den Kläger dauerhaft von seiner Position als Präsident des BSI zu entfernen.

Die Versetzung Arne Schönbohms zur BAköV mit der gleichen Besoldungsgruppe B8 wie das des Amts des BSI Präsidenten spricht nicht für ein systematisches Anfeinden des Klägers. Dagegen spräche auch, dass der Kläger als Beamter jederzeit versetzbar sei und kein Recht auf Beibehaltung seines bisherigen Aufgabenbereichs habe. In einer solch exponierten Position mit hoher Verantwortung wie der des BSI Präsidenten habe der Kläger damit rechnen müssen in eine politisch aufgeladene Auseinandersetzung zu geraten. Dass die neue Stelle erst kurz vor der Versetzung des Klägers, wie er geltend mache, unter Missbrauch von Steuergeldern von B6 auf B8 angehoben worden sei, mag angreifbar sein, lasse aber nichts Hinreichendes für eine Schädigungsabsicht erkennen.

Die Klage habe neben dem Ausgleich immaterieller Nachteile auch in Bezug auf den Ausgleich materieller Schäden keinen Erfolg. Die Anwaltskosten seien nur in Höhe der gesetzlich bestimmten Gebühren erstattungsfähig. In dieser Höhe seien die Anwaltskosten des Klägers bereits erstattet worden. Für eine vorgerichtliche Beratung habe es zum damaligen Zeitpunkt an einer Fürsorgepflichtverletzung gefehlt, die einen solchen Anspruch begründen könnte.

Gegen das Urteil kann der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

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