Malte N. Klimakleber – Das Urteil

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Vor den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung werden noch Dokumente verlesen, um sie formal in den Prozess einzuführen.

Die Fluggesellschaft Eurowings teilt in einer Email mit, dass ihr durch die Klebeaktion am Flugflughafen ein Schaden in Höhe von 130.000EUR entstanden sei. Der Anwalt von Malte N. versucht die Höhe des Schadens in Zweifel zu ziehen. Das sei ja nur eine Email. Worauf der Richter entgegnet „Ich habe ja auch nur eine Email verlesen.“.

Die Staatsanwältin hatte am vorherigen Prozesstag noch einen Beweisantrag in Bezug auf den Vorfall in der Arena auf Schalke gestellt. Hier soll Malte N. aufs Spielfeld gelaufen sein. Hier wird mitgeteilt, dass nach der langen Zeit keine Ordner mehr benannt werden könnten, die angeben könnten, dass Malte N. bis aufs Spielfeld gelangt sei.

Nach § 251 Abs. 1 StPO wird in allseitigem Einvernehmen die Strafanzeige der der Stadt Köln in Bezug auf das Kaiser-Wilhelm Denkmal verlesen.

Der Richter erteilt noch rechtliche Hinweise, die sich auf Details einiger der insgesamt 26 vorgeworfenen Taten beziehen.

Die Befragung

Dann befragt die Staatsanwältin Malte N.

Seit wann waren Sie bei der Letzten Generation aktiv?
Seit etwa September 2022.

Wie kam es dazu?
Er habe sich mit der Klimakatastrophe beschäftigt und die Letzte Generation habe keine Aufmerksamkeit bekommen. Er habe erst online und dann in Düsseldorf an einem Treffen teilgenommen.

Sind Sie aus der Letzten Generation ausgetreten?
Die Letzte Generation sei kein Verein. erklärte Malte N. dazu.

Welche Rolle hatten Sie bei der Letzten Generation?
Er wäre eingebunden gewesen.

Was haben Sie weiterhin vor?
Malte N. gab an ein Fernstudium aufnehmen und sich einen Job suchen zu wollen. Er wolle weiterhin im Klimaschutz aktiv sein. Insbesondere interessiere er sich aber für den Bereich Seenotrettung (Sea-Watch).

Ob er die Strassenblockaden aufgeben wolle?
„Das kann ich nicht sagen.“

Ob er sich nochmal auf einem Flughafen festkleben wolle?
„Das kann ich nicht sagen.“

Wieso sei er Pressesprecher der Letzten Generation geworden?
Das möchte und könne nicht jeder machen. Er habe ein Pressetraining der Letzten Generation bekommen.

Es werden noch ein Video vom WDR und zwei Online-Artikel in Augenschein genommen. Die Staatsanwältin will damit aufzeigen, dass Malte N. Pressesprecher der Letzten Generation gewesen sei und Klebeaktionen nicht nur ausgeführt, sondern auch geplant habe. Er habe ein PR-Schulung der Letzten Generation bekommen. Zudem soll er erklärt haben mit den Folgen seines Tuns leben zu können „Mit den Schulden kann ich leben!“.

Der Beweisantrag

Wie sich schon zuvor abgezeichnet hat stellt der Verteidiger von Malte N. nun formal den Beweisantrag einen Protestforscher zu hören. Er trägt die durch den Protestforscher zu beweisenden Tatsachen so detailliert vor, dass einem die Vernehmung des Protestforschers am Ende überflüssig erscheinen mag. Es geht u.a. um die konkrete Wirksamkeit solcher Protestformen. Letztlich möchte er darauf hinaus, dass der Protest gerechtfertigt und damit straflos sei. Die Staatsanwältin hält eine solche Vernehmung für bedeutungslos. Eventuelle Fernziele müssten außer Betracht gelassen werden. Das Handeln des Angeklagten sei strafbar. Dem folgt dann auch der Richter und lehnt den Beweisantrag ab.

Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten insgesamt 26 Straftaten vor.

Für zwei von diesen beantragt sie Freispruch. Für eine Aktion auf dem Rathausbalkon in Köln fehle es an einem wirksamen Strafantrag und für die Aktion im Schalke Stadion könne die Tat mangels Zeugen nicht nachgewiesen werden.

Die Staatsanwältin geht auf die Details einzelner Taten näher ein. Die Klebeaktion am Düsseldorfer Flughafen sei wohl die schwerste Tat. Die Höhe des Schadens sei bei insgesamt etwa 170.000EUR. Bei der Aktion am Hamburger Rathaus sei sogar eine Person mit Farbe besprüht worden.

Die Staatsanwältin erläutert die sogenannte zweite Reihe Rechtsprechung des BGH, woraus sich durch den dort definierten Gewaltbegriff der Straftatbestand der Nötigung ableitet. Es läge auch kein Notstand vor und Klebeaktionen auf der Straße seien kein geeignetes Mittel gegen den Klimawandel. Der Stau sei keine Nebenwirkung, sondern Ziel der Aktion. Die Staatsanwältin erklärte auch, dass das Festkleben auf der Straße nach einhelliger Rechtsprechung eine Widerstandshandlung sei.

Jugendstrafrecht?

Ob Jugendstrafrecht anwendbar sei, müsse im Einzelfall entschieden werden erklärt die Staatsanwältin. Sie geht bei Malte N. von der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht aus. Sie sehe keine Reifeverzögerung. Er habe die Taten geplant oder zumindest mitgeplant. Sie sehe einen höheren Organisationsgrad. Dass er noch bei seiner Mutter lebe, sei eine bewusste Entscheidung und nicht Folge besonderer Umstände. Er sei auch sehr geschickt darin seine Rechte durchzusetzen. Im Prozess habe er sich sehr aktiv beteiligt.

Der Antrag

Der Angeklagte habe mehrfach gegen die folgenden Rechtsvorschriften verstoßen:

§ 240 StGB Nötigung
§ 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
§ 303 StGB Sachbeschädigung
§ 304 StGB Gemeinschädliche Sachbeschädigung
§ 123 StGB Hausfriedensbruch

Die Staatsanwältin unterstellt Malte N. schädliche Neigungen. Sein Geständnis sei nicht von Reue getragen. Er wolle weitermachen. Die angeklagten Taten seien nur die Spitze des Eisbergs. Es gäbe weitere Taten. Er habe gewusst, dass er angeklagt wird und habe weitergemacht. 30 Tage in Präventivhaft hätten ihn nicht abhalten können. Er habe zusammen mit anderen einen Schaden von insgesamt 250.000EUR verursacht.

Die Staatsanwältin zitiert § 47 StGB Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen und rechnet die Strafforderungen für die Einzeltaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe einem Jahr und 6 Monaten ohne Bewährung als angemessen zusammen. Ohne Bewährung, da „nur weniger Straftaten“ durch den Angeklagten nicht das Ziel sei.

Außerdem beantragte sie die Einziehung der beim Angeklagten sichergestellten Gegenstände nach § 74 StGB „Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern“, die Malte N. gerne wieder gehabt hätte.

Das Plädoyer der Verteidigung

In seinem über 45 Minuten langem Plädoyer sprach der Verteidiger insbesondere die Schöffen an. Er versuchte nochmal die anerkannte zweite Reihe Rechtsprechung des BGH in Frage zu stellen. Dabei geht es um die rechtliche Definition von Gewalt. Außerdem versucht er zu belegen, dass durch das Fernziel Klimaschutz und den damit verbundenen Notstand die Taten gerechtfertigt und damit straffrei gewesen wären. „Wenn die Mehrheit die Minderheit ins Elend führt.“ Er beschreibt die Folgen des Klimawandels in sehr drastischen Worten. Er wirft RWE Mord vor. Er stellt Vergleiche mit Demonstrationen in Russland an. Die Sachschäden versucht er klein zu reden „Die haben halt lange da gearbeitet!“. Am Ende fordert er wie erwartet Freispruch für seinen Mandanten.

Malte N. Das letzte Wort

Über eine Stunde dauert das letzte Wort. Malte N. bemüht internationales Recht um seine Taten zu rechtfertigen. Die Auswirkungen der Klebeaktionen versucht er herunterzuspielen. Stau sei Normalität. Er appelliert an das Gericht. „Sie tragen Verantwortung!“. In der Fülle seiner Ausführungen kann ich allerdings nicht mehr folgen. Am Ende fordert er das Gericht auf eine wegweisende Entscheidung zu treffen.

Das Urteil

„Der Angeklagte wird verwarnt!“.

300 Sozialstunden und 250 EUR Schadenersatz für eine bei der Aktion am Hamburger Rathaus mit Farbe besprühte Frau.

Der Richter ordnete die Einziehung der beim Angeklagten sichergestellten Gegenstände nach § 74 StGB „Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern“ an.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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