Am Freitag, den 23. August 2024, gegen 21:30 Uhr starben drei Menschen bei dem Messerangriff auf einem Stadtfest mit dem Motto: „Fest der Vielfalt“ in Solingen. Zehn weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Der geständige Angeklagte Issa Al H. muss sich dafür vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht verantworten.
Am 13. Prozesstag werden 3 Zeugen gehört und die Übersetzung von Chatverläufen, die auf den Mobiltelefonen des Angeklagten gesichert werden konnten, fortgesetzt. Unter den Zeugen ist Michael W. ein 58-jähriger IT-Berater, der selbst bei dem Messerattentat schwer verletzt wurde und dessen Frau in seinen Armen verblutet ist. Der Zeuge schildert die letzten Minuten, die er zusammen mit seiner Frau auf dem Frohnhof in Solingen verbracht hat. Die Übersetzung der Chatprotokolle verläuft ähnlich zäh wie schon am 12. Prozesstag.
Der Zeuge
Michael W. berichtet, wie er mit seiner Frau mit dem Bus zum Stadtfest gefahren sei. „Meine Frau tanzte dann vor der Bühne.“. Er habe einen schweren Schlag auf die Schulter gespürt. [Er hat die Stiche, wie auch andere Zeugen, die verletzt worden sind, wohl nicht gespürt.]. Dann sei jemand an ihm in Richtung seiner Frau verbeigepoltert. In dem Moment habe er [noch] an einen Betrunkenen gedacht. Dann habe seine Frau nicht mehr getanzt. Seine Frau habe vor ihm gesessen und er habe sie hochgehoben. Sie habe nicht reden können und auf den Halsausschnitt von ihrem Pullover gezeigt. Da habe er gesehen, wie das Blut rausgespritzt sei. Sie seien zunächst nach rechts und hätten sich nach Hilfe umgesehen. „Da ist sie [seine Frau] sehr schwach geworden!“. Am Boden habe er den Kopf zwischen seine Beine gelegt und versucht die Blutung zu stoppen. Dann seien ihre Augen zugegangen. „Dann wusste ich, das war es jetzt“. Blut sei aus Mund und Nase gekommen. Ersthelfer hätten versucht seine Frau wiederzubeleben. Eine Ärztin habe gesagt mit seiner Frau sei nichts mehr zu machen.
„Für mich war das sehr surreal und ein bisschen weit weg.“
„Ich bin jetzt hier im Krankenhaus und meine Frau ist tot.“. Er sei im Krankenhaus ins Koma gelegt worden. Seine Stichwunde sei nicht so dramatisch gewesen. [Nicht unbedingt eine realistische Einschätzung.]. Sein Sohn habe gewartet.
Er sei relativ schnell wieder ins Leben gekommen. Er habe eine zuvor geplante Fahrradtour gemacht. Er habe keine Depressionen. Er sei erstaunlich gut weggekommen. Er habe ein Konzert im Sinne seiner Frau organisiert. Er wolle sich nicht erpressen lassen. Er sei nur einmal zu einem psychologischen Beratungsgespräch gewesen. Er habe keine Albträume.
Im Folgenden versucht der Richter noch, wie bei den anderen Zeugen auch, den genauen Tatablauf zu rekonstruieren und hält dem Zeugen Aussagen aus früheren Vernehmungen vor. Der Zeuge hat wohl 1 Liter Blut verloren. Es sei Zufall, dass er überlebt habe, trägt der Richter vor. Wie üblich werden Lichtbilder der Verletzungen des Zeugen in Augenschein genommen. Mit Hilfe von Videos und Fotos vom Tatort wird versucht die Position des Zeugen und seiner Frau vor der Bühne zu klären. Am Ende bleiben Unklarheiten in Bezug auf die Reihenfolge der Tatausführung.
Die Vernehmung der beiden anderen geladenen Zeugen bringt keine neuen Erkenntnisse.
Die Chatverläufe
Im Folgenden gebe ich einige lose Zitate aus den Chatverläufen wieder. Ich kann dabei allerdings nicht garantieren, dass es sich immer um die „letztgültige“ Übersetzung handelt. Die Chatverläufe enthalten viele religiöse „Floskeln“, die ich hier nicht wiedergebe.
- „Warte mal ab bis es dunkel wird, dann wird es viele Tote geben.“
- „Es geht mir darum Rache für die Muslime zu nehmen.“
- „Bete für mich!“
- „So bist du ein Mann, so haben aufrechte Männer zu sein.“
- „Ich werde sie, so Gott will, ins Jenseits katapultieren.“
- „Ein Märtyrer darf für 70 Menschen ein gutes Wort bei Gott einlegen.“
- „Ich bin euer Bruder in Allah.“
- „Sei besonnen und standhaft.“
- „Ich werde am Ende des Monats nicht im Leben sein.“
- „Wie sieht der Ort aus, in dem du arbeitest? Du sollst dich für ein Ziel entscheiden, das leicht ist in einem Park oder Vergnügungsort jetzt in der Nacht.“
- „Ich werde die Sache geheim halten, bis ich dir das Video schicke.“
In zwei weiteren Chats geht es wohl um Spenden für Frauen in Lagern in Syrien. Es ging wohl um die Organisation der Spendenzahlung u.a. um einen Beleg für die Zahlung, die der Angeklagte haben wollte.
Der weitere Fortgang des Verfahrens
Der Richter kündigt an, dass am 26.08.2025 der letzte Zeuge vernommen werden soll. Die Vernehmung des psychiatrischen Gutachters sei organisatorisch nicht vor dem 02.09.2025 möglich, dann aber könnte die Beweisaufnahme geschlossen werden. In Richtung der Verteidigung fragte der Richter ob der Angeklagte sich noch ausführlich zur Sache einlassen wolle, sonst könne der Termin am 27.08.2025 entfallen.
Disclaimer
Trotz sorgfältiger Recherche lassen sich Fehler nicht zu 100% ausschließen. Bitte senden Sie ggf. eine E-Mail an hdt@gluon.press, so dass wir eine Korrektur vornehmen können. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass im Ermittlungsverfahren die Unschuldsvermutung gilt. Dessen Einleitung bedeutet nicht, dass der strafrechtliche Vorwurf tatsächlich zutrifft.
Quelle
Der Autor im Gerichtssaal.




