OLG Düsseldorf – Messerangriff von Solingen 10. Prozesstag

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Am Freitag, den 23. August 2024, gegen 21:30 Uhr starben drei Menschen bei dem Messerangriff auf einem Stadtfest mit dem Motto: „Fest der Vielfalt“ in Solingen. Zehn weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Der geständige Angeklagte Issa Al H. muss sich dafür vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht verantworten.

Am 10. Prozesstag sagen zwei medizinische Gutachter und ein Zeuge aus.

Gutachter 1

Zunächst erklärt die 33-jährige Fachärztin für Rechtsmedizin einige medizinische Fachbegriffe. Daraufhin geht sie im Detail auf die Verletzungen der durch den Messerangriff verletzten Personen ein. Es geht um die Art, die Anzahl und die Stärke der Gewalteinwirkungen. Zu jeder Person werden die Bilder der Verletzungen in Augenschein genommen. Die Gutachterin unterscheidet zwischen abstrakt und konkret lebensbedrohend. Sie berichtet von dem enormen Blutverlust einiger Betroffener und nennt den Hb-Wert, der die Konzentration von Hämoglobin im Blut angibt. Es sei typisch, dass die Betroffenen den Stich oder Schnitt nicht spürten und es erst merkten, wenn es warm wird. Nur bei Robert K., der sich mit Tritten gegen den Messerstecher gewehrt hat, habe es Abwehrverletzungen gegeben.

Das Überleben sei mit Glück verbunden. Man sehe solche Verletzungen hin und wieder aber eher bei einer Obduktion. Bei einer normalen Messerstecherei sehe man häufiger Verletzungen im Rumpfbereich und nur vereinzelt am Hals. Man sehe dann auch häufiger Abwehrverletzungen. Dieses Ausmaß an Verletzungen habe sie noch nicht gesehen.

Ob man spüren könne, ob man durch eine Jacke oder durch Haut sticht, möchte der Richter wissen. Man könne das möglicherweise nicht unterscheiden. Der Richter präsentiert dazu zwei Jacken. Man könne nur schwer einschätzen, was man getroffen hat. Die Haut bilde im Körper den größten Widerstand. Man müsse immer zunächst den Hautwiderstand überwinden.

Zur Hemmschwelle, die ein Täter überwinden müsse, können sie nichts sagen.

Gutachter 2

Der zweite Gutachter, ein Neurologe, beschäftigt sich mit den Verletzungen von Bärbel V., die ihren rechten Arm praktisch nicht mehr bewegen oder nutzen kann. Die Verletzungen am Hals hatte zuvor die Rechtsmedizinerin in ihrem Gutachten als konkret lebensbedrohlich eingestuft. Der Gutachter erklärt, dass alle Nerven da durchlaufen. Nerven könnten sich zwar regenerieren [also von selbst wieder zueinander finden], er gehe aber nach der abgelaufenen Zeit von einer residualen Schädigung aus und von einer hohen funktionellen Relevanz. In ihrer Vernehmung vor Gericht ging Bärbel V. noch von Möglichkeit einer Besserung aus. Die Richter interessieren sich für die konkreten Einschränkungen, die damit verbunden sind. Der Bizeps sei ausgefallen, damit sei der Arm nicht mehr nutzbar. Sie könne vielleicht noch etwas in der Hand halten, den Arm selbst aber nicht mehr bewegen. Auch der Vertreter des General Bundesanwalts fragt hier nochmal nach, ob der Arm vielleicht doch noch nur über den noch funktionierenden Trizeps nutzbar sei. Ein Gelenk brauche immer zwei Muskeln, um zu funktionieren erklärt der Gutachter.

Zeuge 1

Es wird noch ein 26-jähriger, der den Angeklagten bereits in Syrien gekannt haben soll, gehört. Der Richter erklärt dem Zeugen, dass ihm niemand Vorwürfe machen würde, weil er ihm sehr eingeschüchtert vorkäme. Die Vernehmung gestaltet sich ähnlich zäh wie die der Zeugen, die den Angeklagten kannten und bereits vernommen wurden. Er kenne den Angeklagten nur oberflächlich. Er habe ihn in Syrien beim Fußball gesehen „Das war es!“. Ob er mit ihm gesprochen habe „Ja“. „Uns interessiert jedes Detail“. Der Richter solle Fragen stellen entgegnet der Zeuge. „Ich weiß nicht, was Sie wissen“ erklärt der Richter. Sehr mühsam werden dem Zeugen weitere Details entlockt. Es geht um den genauen zeitlichen Ablauf und Orte in Syrien und der Türkei, so wie einen Bagger, mit dem der Angeklagte gearbeitet haben soll. Der Zeuge berichtet, dass der Angeklagte mit einem Bagger, vorne eine Lade und hinten Bagger, gearbeitet habe. Er habe den Angeklagten auf der Straße mit dem Bagger, ein Reifenbagger kein Kettenbagger, arbeiten sehen. Er soll damit Gräben für Wasserrohre ausgehoben haben.

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Quelle

Der Autor im Gerichtssaal.