OLG Düsseldorf – Messerangriff von Solingen 12. Prozesstag

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Am Freitag, den 23. August 2024, gegen 21:30 Uhr starben drei Menschen bei dem Messerangriff auf einem Stadtfest mit dem Motto: „Fest der Vielfalt“ in Solingen. Zehn weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Der geständige Angeklagte Issa Al H. muss sich dafür vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht verantworten.

Am 12. Prozesstag wird ein 25-jähriger Polizeibeamter vom Bundeskriminalamt (BKA) Berlin zu der Auswertung Daten der beiden Handys des Angeklagten befragt und ein Sprachsachverständiger zur Übersetzung einiger Chatverläufe. Die Auswertung der Handydaten und die Chatverläufe sind Bestandteil des Selbstleseverfahrens, so dass nicht alle Daten und Details im Gerichtsaal erörtert werden. Es wäre auch wohl nicht möglich alle ausgewerteten Daten im Gerichtssaal in endlicher Zeit zu betrachten. Es werden neben ausgewählten Handy-Daten, zu denen das Gericht offene Fragen hat, und Übersetzungen der Chats nur insoweit betrachtet als es Abweichungen der Übersetzung des Sprachsachverständigen zu den zuvor maschinell oder sonst übersetzten Chat-Nachrichten gibt. Es werden auch etliche Bilddateien in Augenschein genommen.

Die Handy-Daten

Anhand der ausgewerteten Handy-Daten zeigt sich wohl, dass der Angeklagte seit 2023 islamistische Inhalte konsumiert und sogar selbst welche veröffentlicht hat. Das wird nur auszugsweise betrachtet. Insbesondere werden Bilddateien in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat wohl etliche Nutzerkonten genutzt. Der Ermittler vermutet, dass diese Konten möglicherweise von den Plattformen gesperrt worden seien und der Angeklagte dann einfach neue Nutzerkonten angelegt habe. Es geht um etliche Gmail Konten und um neun TikTok-Kanäle. Auf sieben davon konnten die Ermittler noch Inhalte sichern. Es wurden u.a. Koranrezitationen, eine Predigt, in der laut Übersetzung Muslime angeprangert werden, die sich nicht von Christentum und Judentum distanzierten, veröffentlicht.

Einige Details zu den Handy-Daten

Auf dem Smartphone des Angeklagten fand sich eine E-Mail der Ausländerbehörde Solingen, die im Anhang ein Werbebanner für die Feierlichkeiten zu 650 Jahre Solingen enthielt.

Den Angeklagten beschäftigte offenbar das Massaker an den Uiguren [die politisch verfolgte islamische Minderheit in China]. Auf beiden Mobiltelefonen konnten die Ermittler Bezüge dazu finden.

Das zweite Handy des Angeklagten sei durch eine PIN gesperrt gewesen erklärt der Zeuge. Die PIN habe aber technisch überwunden werden können. Das zweite Handy ist erst vor einigen Wochen nahe der Flüchtlingsunterkunft an der Goerdelerstraße sichergestellt worden.

Aus den Eingaben in den Google-Translator konnten die Beamten einen vollständigen Chatverlauf rekonstruieren. Die Gesprächspartner konnten allerdings nicht konkret zugeordnet werden.

In diversem Propaganda-Material wird der bekannte Islamist Osama bin Laden erwähnt.

Der Angeklagte half eine Person auf einem in Augenschein genommenen Foto zu identifizieren. Der Angeklagte erklärte es sei Sulaiman Al-Alwan und es sei bekannt, dass er lange Zeit in Haft sei. Der Richter hat dazu inzwischen den Eintrag bei Wikipedia geöffnet.

Der Zeuge gab an, dass auf den Handys des Angeklagten eine Gebets-App installiert gewesen sei, die an die Gebetszeiten erinnern soll.

Auf dem zweiten Handy fand sich ein Video, das ein Standbild des Angeklagten mit ausgestrecktem Zeigefinger zeigt und das mit Musik, Sprechgesang, hinterlegt ist.

Im DCIM-Ordner, der Ordner wo standardmäßig selbst aufgenommene Videos gespeichert werden, fand sich ein Videoschwenk von der Bühne bis über den Graf-Wilhelm-Platz.

Die Abschiebewarnung

Der Angeklagte erhielt wohl eine Abschiebewarnung die wohl von einer NGO stammt. [Der Angeklagte ist wohl über Bulgarien nach Deutschland eingereist. Ein Abschiebeversuch nach Bulgarien soll 2023 gescheitert sein. Ob es eine spezifische Information für den Angeklagten noch dazu genau eine für seinen Termin war, wurde im Prozess leider nicht klar.]

Die Verschleierung der Online-Aktivitäten

Bemerkenswert ist, dass der Angeklagte sich über technische Möglichkeiten informiert hat, die es ihm ermöglichen seine Onlineaktivitäten zu verschleiern. So nutze er eine App [Fake GPS Location] die dem Handy einen falschen Standort vorgaukeln kann. Er nutze auch ein VPN um seine IP-Adresse zu verbergen. Zusätzlich kann man mit einem VPN vorgaukeln, dass man in einem anderen Land ist, um Inhalte abzuspielen, die in bestimmten Ländern gesperrt bzw. nur in bestimmten Ländern verfügbar sind. Ebenso nutzte er den Thor Browser, der ebenfalls die eigene IP-Adresse verbirgt und als Zugang zum sogenannten Darknet genutzt wird. [Das könnte für ein planvolles Vorgehen sprechen.]

Die Chatverläufe

Die Chatverläufe sind in Excel erfasst. Jede Nachricht in einer Zeile. Der Sprachsachverständige fasst wohl einige Chat-Nachrichten zu einem Satz zusammen, so dass das mehr Sinn ergibt, als jede einzelne Nachricht für sich zu übersetzen. Zudem bemerkt der Sprachsachverständige etliche Fehler [echte Fehler und einfache Tippfehler] in den arabischen Texten, die einen Unterschied in der Bedeutung und damit in der Übersetzung machen. Die Chats sind wohl, auch wenn man die Chatnachrichten vollständig in der richtigen Reihenfolge vorliegen hat, schwer verständlich. Da nur auf die Chatnachrichten eingegangen wird, wo der Sprachsachverständige Änderungen oder Anmerkungen zu den zuvor erstellten Übersetzungen hat, ergibt sich für mich kein klares Bild.

Disclaimer

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Quelle

Der Autor im Gerichtssaal.