OLG Düsseldorf – Messerangriff von Solingen 4. Prozesstag

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Am 4. Prozesstag vor dem OLG Düsseldorf sagen insgesamt vier Zeugen aus, darunter Mutter und Tochter, die gemeinsam das Konzert besucht haben.

Zeuge 1

Die 25-jährige Veranstaltungstechnikerin Lea ist mit ihrer Mutter auf dem Festival. Sie erzählt was sich zugetragen hat. Sie habe mit ihrer Mutter weit vorne vor der Bühne gestanden, die Augen zu, da ihr das Licht gefallen habe. „Man ist da [als Veranstaltungstechnikerin] kritisch.“. Sie habe eine Art Schlag, wie ein Stoß mit dem Ellbogen, gespürt. Sie habe den Täter für den Bruchteil einer Sekunde gesehen. Er habe südländisch ausgesehen. Sie habe ihre Mutter fallen sehen. Sie habe etwas Warmes gespürt. „Was warmes Nasses hat sich ausgebreitet.“. Ein pensionierter Polizist habe sie zunächst versorgt. Sie habe laut Sanitäter vor Ort 2 Liter Blut verloren, insgesamt seien es 4 Liter gewesen. Bei der OP sei Blut zugeführt worden.

Ob es sich um einen Durchstich oder einen zweiten Stich auf dem Rücken handele, sei ihr unklar. Die Bilder der Verletzungen werden in Augenschein genommen. Die Schilddrüse und eine Arterie seien verletzt worden. Es seien Nerven und Muskeln verletzt worden. Eine Arterie sei noch dicht, was zu Schwindel und Gleichgewichtsproblemen führen kann. Höhenarbeit auf einem Hubsteiger in 15m Höhe sei da nicht mehr möglich. „Das funktioniere nicht.“. Sie sei noch krankgeschrieben. Es habe ihren Berufsalltag getroffen.

Die seelischen Folgen hätten sich über Monate erst herausgestellt. „Die Psyche ist unberechenbar.“. Sie sei seit Anfang Februar in Behandlung. Sie habe selten Alpträume und verspüre eine gewisse Form von Stress. Sie sei aber zu ausgeruht, um zu schlafen, erklärt sie. Sie stehe jetzt lieber hinten an der Wand als mittendrin. Mit der Aussage „Ich würde immer wieder in der Veranstaltungsbranche landen. Ich hoffe, dass ich halbwegs meinen Job machen kann.“ bekräftigt die Zeugin den Willen wieder ein normales Leben zu führen.

Zeuge 2

Die 63-jährige Verkäuferin und Mutter der zuvor gehörten Zeugin schildert die Ereignisse aus ihrer Perspektive mit dünner brüchiger Stimme. Eines ihrer Stimmbänder ist seit dem Messerstich gelähmt. Sie habe mit ihrer Tochter vor der Bühne gestanden und auf einmal einen Schlag vor den Hals bekommen. Sie habe Blutspritzer auf dem Gesicht ihrer Tochter gesehen. „Hilfe, Hilfe, wir verbluten!“ habe ihre Tochter gerufen. Ihre größte Angst war die um ihre Tochter. Sie habe mitbekommen, wie ihre Tochter zu Boden gegangen sei. Sie habe die Musik mit leicht geschlossenen Augen gehört. Viel mehr könne sie dazu nicht wiedergeben. Sie sei in die Musik vertieft gewesen antwortet sie auf die Frage des Richters ob sie das habe kommen sehen.

Bis jetzt gäbe es keine Verbesserung mit der Stimmbandlähmung. Die Chancen, dass sich das erholt, stünden bei 70%. Sie gehe täglich zum Therapeuten. Die Frage des Anwalts der Nebenklage, ob sich das mit der Stimme noch bessere, beantwortet sei mit „Wenn ich Pech habe, kommt das nicht wieder.“. Den rechten Arm trägt sie in einer Schlinge. Der Arm bleibe irgendwo liegen erklärt sie. Die Finger funktionieren, der Strecker funktioniert, der Beuger nicht. „Wenn der Arm nicht funktioniert, hat man ein Problem!“ erklärt sie. Ihre Freiheit sei eingeschränkt „Kein Auto, kein Fahrrad. Es sind so einige Dinge.“. „Wir fahren im August in Urlaub und ich kann nicht mal Fahrrad fahren.“. Sie werde ihren Job nicht mehr machen können.

„Sie wollen mir jetzt ein paar dunkle Bilder schicken?“ kommentiert sie die Ankündigung des Richters die Bilder der Verletzungen in Augenschein nehmen zu wollen.

Zeuge 3

Jürgen, ein 63-jähriger Solinger, erklärt er habe sich auf den Freitag gefreut. Er habe 2 bis 3 Minuten vor der Bühne gestanden. Die Attacke sei aus dem Nichts gekommen. Er habe einen Stich gespürt und seinen Daumen auf die Wunde gehalten. Er habe Blickkontakt mit dem Angreifer gehabt und dabei den Kopf des Angreifers und die Klinge gesehen. Er habe den Ruf „Allahu Akbar“ gehört. Ob der Angreifer diesen gerufen habe, könne er aber nicht sagen. Er habe „Hilfe! Messerstecher!“ gerufen. Bekannte hätten ihm gesagt, dass er den Angreifer weggestoßen habe. Es habe ewig gedauert, bis die Ambulanz kam und auch bis diese dann weggefahren sei. Er sei nach 5 Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Eine Arterie sei durch die Schwellung des Halses abgedrückt worden und er sei ohnmächtig geworden. Der 3cm lange Schnitt sei bis auf 10cm weiter aufgeschnitten worden, um zu kontrollieren, ob es weitere Verletzungen gegeben habe. Die Wunde sei geklebt worden und gut verheilt. In der Folge sei aber eine lange Narbe zurückgeblieben. Er habe noch ein Taubheitsgefühl. Er könne schlecht schlafen. Er gehe nicht mehr so gerne raus. Sonst gäbe es keine weiteren Einschränkungen. Er habe 2–3-mal psychologische Betreuung in Anspruch genommen, die habe ihm aber nicht geholfen. Er habe da keine Probleme.

Das Handy

Der Richter berichtet, dass das Handy, dessen Ablageort der Angeklagte zuvor am 3. Prozesstag bekanntgegeben hatte, gefunden worden sei. Man habe es auslesen können. Die forensische Untersuchung finde statt. Ein gesicherter Standort, wo der Angeklagte übernachtet habe, sei nicht ermittelt worden. Der Verteidiger erklärt „Wir arbeiten daran.“.

Damit geht es in die Mittagspause.

Zeuge 4

Nach der Mittagspause sagt noch ein 34-jähriger Polizist, Islamwissenschaftler, aus. Um 21:35 habe er akustisch einen Tumult bemerkt. Ab dem Zeitpunkt sei seine Erinnerung nur fragmenthaft. Er sei mit einer Person kollidiert und hingefallen. Er sei wieder aufgestanden und habe die Situation realisiert, dass da ein Anschlag mit einem Messer passiert sei. Er habe „Allahu Akbar“ gehört, aber könne nicht sagen wer da gerufen habe. Er habe das so interpretiert, dass es sich um ein Attentat handelt. Er habe vor der Bühne Verletzte gesehen. Die Ausführung der Tat selbst habe er nicht gesehen.

Die Ankündigung einer persönlichen Einlassung

Gegen Ende des Verhandlungstages kündigt einer der Verteidiger eine persönliche Einlassung des Angeklagten an, die die Festnahmesituation betreffe und vielleicht 10 Minuten dauern würde. Es sei nicht vorgesehen, dass Fragen beantwortet würden.

Disclaimer

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