Von der historischen Eisenbahnbrücke, die einst den Rhein überspannte, ist heute nichts mehr übrig. Allerdings liegen links und rechts des Rheins immer noch die steinernen Ruinen der Vorlandbrücke. Diese sind mittlerweile ein beliebtes Ausflugsziel für entdeckerfreudige Naturliebhaber und Fotografen.
Wie kleine Felsen ragen die Ruinen linksrheinisch aus dem Naturschutzgebiet. Diese sind zum Teil überwuchert von Pflanzen, Gräsern und Kräutern. Darunter befinden sich u. a. der Wiesen-Salbei, die Wiesen-Margarete, die zierliche Kammschmiele und der mittlere Wegerich, eine Pflanzengesellschaft, die heute fast verschwunden ist. Auch viele Tiere finden Unterschlupf in den Hohlräumen der Ruinen. Fledermäuse, Steinkäuze, Turmfalken, Rostgänse und Hohltauben suchen die gut versteckten Mauerspalten auf, um darin zu ruhen oder ihren Nachwuchs aufzuziehen. Man kann nur hoffen, dass dieser einzigartige Sonderlebensraum der ehemaligen Rheinbrücke noch lange erhalten bleibt.
Die Geschichte
Seit Dezember1874 führte bei Wesel eine fast 2 km lange Eisenbahnbrücke über den Rhein. Erbaut wurde sie gut 3 Jahre zuvor von der Cöln-Mindener Eisenbahn Gesellschaft (CME) als Teil der Hamburg-Venloer Bahn. Nahe der historischen Eisenbahnbrücke gab es ab 1917 zusätzlich noch eine Straßenbrücke. Beide Brücken wurden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört, aber nur die Straßenbrücke wurde danach wieder aufgebaut.
Für die damalige Zeit war die Eisenbahnbrücke aus Stahl und Ziegelsteinen bei Wesel ein technisches Meisterwerk. Noch bevor sie gebaut wurde, galt der Rhein als nahezu unüberwindbares Hindernis. Eisenbahnwaggons wurden zuvor teilweise auf speziellen Fähren über den Fluss gebracht. Diese Methode war zeitaufwändig und witterungsbedingt unzuverlässig. Der Wunsch nach festen Eisenbahnbrücken war geweckt. Außerdem versprach sich die Stadt Wesel von einer Eisenbahnbrücke über den Rhein einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Niederrhein bot für einen Brückenbau allerdings keine idealen Bedingungen. Nicht nur der Rhein, sondern auch das Hochwassergebiet zu beiden Ufern musste überbrückt werden. Zusätzlich ergab sich aus dem großen Einfluss militärischer Entscheidungsträger die Notwendigkeit, dass feste Brücken durch Forts gesichert werden mussten. Damit kam nur die Festungsstadt Wesel für den Brückenbau infrage.
Nach dreijähriger Bauzeit nahm die Bahn am Silvestertag 1874 offiziell den Verkehr auf der Strecke Venlo-Wesel-Hamburg auf. Es gab damit eine direkte Fern Verbindung von Paris nach Hamburg. Der Brückenbau verursachte enorme Kosten. Diese wurden von den Eisenbahnbetreibern auf die Fahrtkosten umgelegt. Dadurch wurde es für die Landwirte wirtschaftlich unrentabel, ihre Produkte mit der Bahn zur anderen Flussseite zu transportieren. Damit schwand auch die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung für die Stadt Wesel.
Nur das preußische Militär profitierte stark von der neuen Verbindung. Nicht nur eine einfachere Versorgung der Garnison war über die Eisenbahnbrücke nun möglich, sondern auch eine wesentlich bessere Organisation der Militärmanöver. Durchschnittlich 20 Militärzüge überquerten seinerzeit pro Tag den Rhein.
Nach Ende des ersten Weltkriegs blieb für die Zeit der Besetzung der Stadt Wesel von 1919 bis 1924 der Brückenverkehr stark eingeschränkt. Und auch nach 1924 führten nur noch Nebenstrecken über Wesel, die Fernverbindungen lagen weiterhin still. Damit manifestierte sich der wirtschaftliche Niedergang der Stadt Wesel. Ab 1926 wurde die baufällige Eisenbahn dann saniert, auch weil sie schon kurz nach Fertigstellung als massiv überlastet galt. Ein wesentlich belastbareres, gut 4000 t schweres Fachwerksystem wurde eingebaut. Aber auch mit der Sanierung erfüllte sich der Wunsch eines wirtschaftlichen Aufschwungs der Stadt nicht.
Schließlich rüstete eine Weseler Firma kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Brücke mit Eichenbohlen so um, dass sie nicht nur von Zügen, sondern auch von Straßenfahrzeugen befahren werden konnte. Damit begann ab 1944 ein reger Verkehr über die Brücke. Genutzt wurde diese jetzt von Soldaten auf dem Weg an die Westfront, von Zwangsarbeitern zu Schanzarbeiten am Westwall und auch von evakuierten Müttern und Kindern, die aus den Niederlanden zurück nach Wesel kamen.
Ende des Zweiten Weltkriegs, im Februar 1945 war Wesel Ziel massiver Luftangriffe der Alliierten. Die Eisenbahnbrücke war zu diesem Zeitpunkt die einzig verbliebene Verbindung über den gesamten Niederrhein. Zugleich war sie für die Alliierten wichtig, um den Rhein leichter überqueren zu können. Um das zu verhindern, sprengten die Deutschen am 10. März 1945 das imposante Bauwerk.